13. Iranisches Theaterfestival Heidelberg 2019
Hoffnung und Trauer im Exil, 40. Jahre nach der Islamischen Revolution.

Mit der Verleihung des Publikumspreises am Sonntag, dem 10. Februar,
ging das fünftägige 13. Iranische Theaterfestival Heidelberg zu
Ende. Insgesamt acht Produktionen, vorwiegend in persischer Sprache,
wetteiferten um den begehrten Preis. Am meisten überzeugen konnten
das Publikum die Wettbewerbsbeiträge „Delibay und Ahoo“ sowie
„Kuk, Kul und Kouli“. Die Abstimmungsergebnisse lagen dabei so
nahe beieinander, dass Festivalleiter Gholam Allboje die Auszeichnung
in diesem Jahr zweifach vergeben musste. Damit wurden zwei
Theaterstücke mit gänzlich unterschiedlichen Themen und
Hintergründen ausgezeichnet. Allboje, der das Festival mit seinem
Kulturverein Boje in Kooperation mit dem Freien Theaterverein
Heidelberg e.V. und den beiden Spielstätten (TiKK und Theater im
Romanischen Keller) veranstaltet, zeigte sich darüber hocherfreut.
Die Stuttgarter Theatergruppe rund um Regisseur Mehdi Tavakoli, die
mit „Delibay und Ahoo“ ihre erste gemeinsame Produktion
vorstellte, stehe für den „Nachwuchs“, so Allboje. Die jungen
Amateur-Schauspieler seien bedeutender Teil der Zukunft der
iranischen Theatercommunity in Deutschland, die sich jedes Jahr in
Köln und Heidelberg auf ihren Festivals trifft. Die überreichte
Auszeichnung ist daher gleichsam auch als Förderung der
neugegründeten Gruppe zu verstehen.
Mit „Kuk, Kul und Kouli“
zeichnete das Publikum des Iranischen Theaterfestivals 2019 eine
politisch brisante Produktion aus. Shole Pakravan behandelt in ihrem
fesselnden Solo, in jeweils kurzen Episoden, die Trauer von Müttern,
deren Kinder in Iran zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden und
erzählt damit von ihrem eigenen Schicksal. 2014 wurde ihre Tochter,
Reyhaneh Jabbari, trotz internationaler Proteste im Iran gehängt.
Jabbari hatte 2007 in Notwehr einen Mann erstochen, der sie sexuell
misshandeln wollte. Das Urteil und dessen Vollstreckung sorgten
weltweit für Trauer und Empörung.¹
Die mit Preisen bedachten Theaterproduktionen stehen damit
exemplarisch auch für das Festival und die persischer Kultur in der
Diaspora selbst: Es sind der schmerzhafte Blick zurück und der
hoffnungsvolle voraus, die sich hier immer wieder treffen.
Dass
politisches Statement auch vom Exil aus zum Sicherheitsrisiko werden
kann, zeigt sich deutlich beim Musiker Shahin Najafi, der in diesem
Jahr zum zweiten Mal im Rahmen des ITF und zum dritten Mal im
Karlstorbahnhof zu Gast war. Seine gesellschaftspolitisch kritischen
Songs zwangen ihn, unter Androhung einer Haftstrafe, den Iran zu
verlassen. Im Zuge seiner 2012 erfolgten Veröffentlichung des Titels
„Naghi“ wird er im Iran der Blasphemie beschuldigt und seither
mit Mordaufrufen bedroht.
Sein Konzert im ausverkauften Saal des
Karlstorbahnhofs, in dem er auch Songs seines neuen Albums „Third
Gender“ vorstellte, war für mich zweifelsfrei das Highlight des
Festivals. Najafi erhebt gemeinsam mit dem Publikum seine Stimme, die
begleitet wird von Melodien zwischen Rock, Blues, HipHop und
Jazz.
Das Iranische Theaterfestival kann einen wichtigen
Beitrag für den interkulturellen Austausch in Heidelberg und der
Region leisten. Leider gelingt es noch nicht das Festival für ein
breites Publikum zu öffnen, sodass die iranische Exil-Community hier
noch immer sehr unter sich bleibt.
Ich würde mir diesbezüglich
eine konzeptionelle Neuausrichtung wünschen, die verstärkt auf
Verständigung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft setzt,
etwa durch deutschsprachige Stückeinführungen, Diskussionsrunden
und neue Kooperationspartner. Das wäre aus meiner Sicht ein Gewinn
für alle.
Vielleicht beim 14. Iranischen Theaterfestival 2020?
Möglich gemacht
wurde das Festival durch die Mitarbeiter/innen der Spielstätten und
den tatkräftigen Einsatz der ehrenamtlichen Helfer/innen.
Euch
und allen Teilnehmern des diesjährigen Festivals ein herzliches
Merci - مرسی .
Kai Sauter
¹ Vgl. https://www.bz-berlin.de/welt/26-jaehrige-frau-im-iran-gehaengt
; http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/reyhaneh-jabbari-mutter-von-zum-tode-verurteilter-im-int...
; https://www.tagesspiegel.de/politik/nach-hinrichtung-von-reyaneh-jabbari-iran-rechtfertigt-sich-fuer...
;
Shole Pakravan: https://www.instagram.com/shole_pakravan/?hl=de
(letzer Aufruf der Links: 18.02.2019).



