2018

Heidelberger Theatertage 2018

21. Heidelberger Theaterpreis

Die Preisträger

Unser Publikum hat sich entschieden: Unser "Puck" findet ein neues Zuhause in München für ein Jahr.

Publikumspreis

Foto: Christian Schüll
Name: Sophie Scholl
von Rike Reiniger
tim – Theater ist mehr, Unterföhring

Sophie studiert Jura und steht kurz vor ihrem Abschluss. Die Namensgleichheit mit der historischen Sophie Scholl ist reiner Zufall.

Die Leben der beiden Studentinnen werden durch die parallele Handlungsführung eng miteinander verwoben: Die Sophie der Gegenwart muss vor Gericht aussagen, da ihr Professor verdächtigt wird, Prüfungsunterlagen vorab an Studenten herausgegeben zu haben, um sich zu bereichern. Er wälzt die Verantwortung auf seine Sekretärin ab und erpresst seine Studentin.
Sophie könnte bezeugen, dass es nicht die Sekretärin war. Aber soll Sophie ihre Zukunft aufs Spiel setzen? Soll sie riskieren, dass die Prüfungen wegen des Betrugs für ungültig erklärt werden? Die anspruchsvolle Namensgleichheit und die ständige Erinnerung daran stellt eine große moralische Hypothek dar – muss nicht gerade sie Rückgrat zeigen?
Die Dramaturgie des Stücks ermöglicht es, den inneren Konflikt der Darstellerin mithilfe von Rückblenden aus den Lebensstationen der jugendlichen Widerstandskämpferin zu veranschaulichen. Sophie quälen Gewissenskonflikte und sie gesteht, nicht den Mut ihrer Namenspatronin zu besitzen.
Das Stück zieht jeden in den Bann: Es geht um die Angst vor der eigenen Courage, die wir alle kennen – kaum einer wird sie los, der seine berufliche Laufbahn noch nicht beendet hat. Aber genau diese mangelnde Reflexion über dieses Dilemma führt zum Verlust an Demokratie, den wir zurzeit erleben.

Spiel: Marget Flach
Regie und Dramaturgie: Anschi Prott

Unsere Jury hat sich für folgende Produktionen entschieden:

1. Preis der Jury

Foto: Christian Schüll
Clockwork Orange
nach Anthony Burgess, Bühnenfassung von Julia Fischer und Charlotte Sprenger
Theater der Keller, Köln

Wenn ein Mensch nicht wählen kann, hört er auf, Mensch zu sein.

Alex und seine Droogs versetzen die Stadt in Angst und Schrecken. Sie überfallen beliebig wehrlose Opfer, vergewaltigen Frauen, bekriegen sich mit anderen Gangs. Die Gewalt ist für Alex Spaß und Genuss, das geraubte Geld Nebensache.
In seinem Kultbuch aus dem Jahre 1962 stellt Anthony Burgess eine Lösung zur Disposition, ebenso effektiv wie bedrohlich nah an gegenwärtigen Möglichkeiten: Was spricht dagegen, Gewaltbereitschaft einfach medizinisch zu unterbinden, wenn es machbar ist?

Spiel: Markus J. Bachmann, Frank Casali, Liliom Lewald, Denis Merzbach, Madieu Nguyen
Regie: Charlotte Sprenger
Bühne: Thomas Garvie
Kostüme: Janina Warnk
Dramaturgie: Barbara Kastner


2. Preis der Jury

Der zweite Preis der Jruy geht dieses Jahr an zwei Produktionen:
Foto: Christian Schüll
BLACKBIRD
von David Harrower
Waggonhalle Marburg

Er ist nicht nur ein Pädophiler. Sie ist nicht nur ein Opfer.
Damals waren sie ein Liebespaar. Una war zwölf und Ray war 38, als man sie zusammen ertappte und er wegen Verführung einer Minderjährigen festgenommen wurde. 16 Jahre später lebt Ray unter einem anderen Namen und arbeitet in einer Firma, die Geräte für Zahnarztpraxen herstellt. Er hat seine Strafe abgesessen, ist mit einer neuen Frau zusammen und hat sich ein neues Leben aufgebaut. Anders als Ray kommt Una nicht mit dem klar, was damals geschehen ist. Als sie bei einem Zahnarztbesuch zufällig Rays Foto in einer Zeitschrift sieht, entschließt sie sich, ihn aufzusuchen.

Das Kammerspiel BLACKBIRD zeigt die Begegnung zweier Menschen, deren Leben von einer gemeinsamen Erfahrung geprägt ist. Opfer und Täter treffen unvermittelt aufeinander. So sehr zu Beginn die Rollen klar erscheinen, so sehr verkehrt sich im Laufe der Unterredung das allzu einfache Rollenschema und offenbart die Geschichte einer ganz und gar unmöglichen Zuneigung. (Text: Litag Theaterverlag)


"Blackbird" ist ein bedrückendes, flirrendes und provokantes Theaterstück, in dem die Zuschauerperspektive auf Moral und Unmoral ständig verschwimmt.

Una: Sophie-Bo Heinkel
Ray: Nisse Kreysing
Mädchen: Franziska Reitz und Kira Friebertshäuser
Regie: Matze Schmidt
Regieassistenz: Helga Niehaus, Lena Uebelacker und Koami Raymond Awudza
Bühnenbild und Ausstattung: Daniela Vogt


Das Projekt wurde gefördert vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und vom Magistrat der Universitätsstadt Marburg.

Foto: Christian Schüll
Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt?
von Panni Néder
nomerMaids, Berlin

auf Deutsch, Englisch, Ungarisch, u.v.m.
Drei Frauen. Ein dreiköpfiges Geschöpf aus zwei Ländern. Drei Körper in Bewegung. Wir. Wir singen manchmal. Wir stellen Fragen. Über Politik. About destiny. About personal issues and priorities. Über Spinat zwischen den Zähnen und sexuelle Frustrationen. In 14 different languages. Question: Är det interessant what we say? Verstehst du das? Ymmärrätkö mitä sanon? És ha nem, akkor mi van? Question: When did you ask yourself the last time? Question: Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt? Question: Is that an interesting question? Do we interact? Do we open? Do we move? Her og nå.

Ausgangspunkt der Inszenierung ist eine in Deutschland lebende ungarische Regisseurin, die sich im Produktionszwang befindet: Sie muss inszenieren, doch ist es interessant, was sie sagen will? Ihre eigene Diversität als gebürtige Ungarin und Wahl-Berlinerin konkretisiert sich in Fragen: Was kann/soll/muss man einem deutschen Publikum erzählen?

Drei Performerinnen, die die Gedankengänge der Regisseurin verkörpern, hüpfen zwischen Zeiten und Orten, greifen brennende politische Themen auf und kehren immer wieder zur Ausgangssituation zurück. Im schnellen Sprachenwechsel werden die Unterschiede in Ost- und West-Europa, gesellschaftliche Muster in der zeitgenössischen Politik und die Rolle von Sprache bei der kulturellen Integration untersucht.

Von und mit: Adrienn Bazsó, Charlotte Mednansky, Panni Néder
Text / Inszenierung: Panni Néder
Kostüm: Emöke Samu, Susann Kotte

nomerMaids. wurde von Adrienn Bazsó, Charlotte Mednansky und Panni Néder ins Leben gerufen, nachdem die drei Theatermacherinnen 2018 die Einstiegsförderung des Berliner Senats erhalten haben.

Unsere Studierenden-Jury hat sich für folgende Produktion entschieden:

Studi-Preis

Foto: Christian Schüll
Wann hast du das letzte Mal auf der Spitze eines Berges Sex gehabt?
von Panni Néder
nomerMaids, Berlin
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